Der letzte Eintrag auf diesem Blog ist William Klein gewidmet. R.M.



Dienstag, 1. Februar 2011

WALKIN' VIENNA 2009

Immer wieder führen meine Fotospaziergänge auch durchs Zentrum der Stadt, vorbei an den viel fotografierten Sehenswürdigkeiten, die ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, je nach Lust & Licht, ebenfalls in meine Sammlung von Wien-Ansichten aufnehme. Oft entdecke ich, nur wenige Schritte von den Postkarten-Idyllen entfernt, ein ungeschminktes Stück Stadt. Obwohl ich nicht planlos unterwegs bin, spielt der Zufall in meinen Bildern eine wesentliche Rolle.

10., Hasengasse, 2009
Auf der Suche nach dem Wohnhaus von „Mundl Sackbauer“ traf ich eine „echte Wienerin“, die seit Jahrzehnten in der Hasengasse in Favoriten lebt.


1., Dr.-Karl-Lueger-Ring, 2009
Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben, sind in der Öffentlichkeit auffälliger als die anonyme Masse der Durchschnittsbürger, denn sie können ihre Probleme nicht innerhalb der eigenen vier Wände verstecken. Schätzungsweise 800 Menschen lebten im Jahr 2010 ständig auf der Straße.


9., Pramergasse, 2009
Die meisten der rund 140.000 Wiener Moslems stammen aus der Türkei.  Mehr als ein Viertel lebt bereits in zweiter Generation in der Stadt. Den höchsten muslimischen Bevölkerungsanteil gibt es in den Bezirken Fünfhaus, Brigittenau und Ottakring.



2., Donaukanal, 2009
Das Schützenhaus von Otto Wagner (Bj. 1908) war ursprünglich als Hülle für die Hebevorrichtungen zur Regulierung des Donaukanals gedacht. Aus Geldmangel konnten jedoch die zwei weiteren Staustufen, die zur Umwandlung des Donaukanals in einen Handels- und Winterhafen notwendig gewesen wären, nicht realisiert werden, sodass die Staustufe  Kaiserbad nie als solche genutzt werden konnte.


1., Opernpassage, 2009
Mit der Medien-Installation „Pi“ macht der kanadische Künstler Ken Lum statistisches Datenmaterial einer breiten Öffentlichkeit - quasi im Vorbeigehen - zugänglich. Seit 2006 sind in der Opernpassage täglich neue Statistik-Daten des SORA-Instituts zu sehen.



2., Praterstern, 2009

Nur an einem Tag im Jahr wälzen sich keine Blechlawinen über diesen stark frequentierten Verkehrsknotenpunkt: Sobald an der Wagramer Straße am 3. Sonntag im April der Startschuss zum alljährlichen Vienna City Marathon fällt, bleibt sogar der Praterstern für mehrere Stunden autofrei.


13., Kennedy-Brücke, 2009
Der Name „16er Blech“ geht auf einen Mundartausdruck für eine Dose Bier aus der Brauerei im 16. Bezirk zurück. Während die österreichische Brauwirtschaft im 1. Quartal 2009 angesichts der weltweiten Rezession Absatzeinbrüche hinnehmen musste, konnte das Unternehmen aus Ottakring den Umsatz sogar steigern.


in der U2, 2009


im "41er", 2009
Das gelb-rote Logo der dänischen Anti-Atomkraft-Bewegung aus den 1970er Jahren erfuhr zunächst als Aufklebermotiv weltweite Verbreitung. Um seine Gesinnung zum Ausdruck zu bringen, wurden später auch Ansteckplaketten (Buttons) populär, die den Vorteil haben, dass sie sich offen an Kleidungsstücken tragen lassen. In Österreich erreichte der Widerstand gegen eine zivile Nutzung der Kernenergie 1978 seinen Höhepunkt, als die Inbetriebnahme des bereits fertig gestellten Atomkraftwerks Zwentendorf per Volksabstimmung verhindert werden konnte. Anlass für Proteste gegen grenznahe AKWs gibt es jedoch bis heute.


22., Donau-City - Vienna DC (Reichsbrücke), 2009
Eine Verbauung der ufernahen Zonen der Donau war in Wien lange Zeit undenkbar. Städtebaulich interessant wurde das Areal der heutigen Donau City erst vor 40 Jahren, als der Strom ein Entlastungsgerinne erhielt, um den Hochwasserschutz zu optimieren - die Neue Donau.
Mit der Überplattung der Donauuferautobahn im Jahr 1993 entstand jenes Fundament, auf dem heute Wiens zweites Zentrum steht: In Vienna DC leben und arbeiten bereits 8.000 Menschen. Internationale Konzerne sind hier ebenso vertreten wie Hightech-Unternehmen, die sich im Wissenschafts- und Technologiepark Tech Gate Vienna angesiedelt haben.
Hinter dem Cineplexx Reichsbrücke ist die UNO-City zu erkennen, die 1979 eröffnet wurde.


1., Wallnerstraße, 2009
Wo früher diverse k.u.k. Hoflieferanten ihre Niederlassungen hatten, sind heute die Wien-Dependancen internationaler Mode- und Design-Handelsketten wie Dolce & Gabbana zu finden. 


13., Schlosspark Schönbrunn (Gloriette), 2009
Zum barocken Gesamtkunstwerk von Schloss Schönbrunn gehört auch die weitläufige Gartenanlage, die bis hinauf zur Gloriette reicht. Dieser Aussichtspavillon, in dem heute ein Kaffeehaus untergebracht ist, lockt selbst an frostigen Wintertagen zahlreiche Besucher an. 


7., MuseumsQuartier Wien, 2009


23., Maurer Hauptplatz, 2009
Was wäre der Titel „Gesichter einer Stadt“ ohne die Abbildungen jener Menschen, die diese Stadt beleben?


 
1., Babenberger Straße, 2009
Parteifreunde und Sympathisanten versammeln sich am Straßenrand, wenn am 1. Mai beim traditionellen Maiaufmarsch Sozialdemokraten aus allen 23 Gemeindebezirken zur Abschlusskundgebung auf den Rathausplatz ziehen.


1., Parkring, 2009
Während der Sitting Bull-Ausstellung im Völkerkundemuseum war das markante Gesicht des berühmten Lakota-Anführers plötzlich überall im Wiener Stadtbild präsent. Neben Geronimo, Crazy Horse und der Romanfigur Winnetou zählt Sitting Bull hierzulande zu den bekanntesten nordamerikanischen Indianern. Er musste miterleben, wie aus den gefürchteten Reiterkriegern der Prärien und Plains ein trauriges Volk von Almosenempfängern wurde. Die in Decken gehüllte Frau erinnert ein wenig an eine Reservationsindianerin.


10., ehem. Südbahnhof (Wiedner Gürtel), 2009
Von den Bahnsteigen der Ost- bzw. der Südbahn, die in den Obergeschossen des ehemaligen Südbahnhofs zusammenliefen, führten Rolltreppen hinunter zur Kassenhalle, die 1961 auf dem ehemaligen Vorplatz beider Bahnhöfe erbaut und 2009 für immer geschlossen wurde.


 
23., Speisinger Straße, 2009
Das kleine Plakat wirbt für eine Ausstellung der österreichischen Malerin Maria Lassnig. Wie so oft, spielt die Kunst auch auf diesem Foto nur eine nebensächliche Rolle. Ins Auge sticht vor allem die überdimensionale Produktwerbung. Im alltäglichen Leben hält eine Hand heute beim Gehen oft ein Handy ans Ohr und der Blick ist dabei zumeist leicht gesenkt.


 
22., Reichsbrücke (Stephansdom), 2009
Die Reichsbrücke, deren Vorgängerin 1976 eingestürzt war, bietet einen Blick auf die Mitte der Stadt. Um dem 137 m hohen „Steffl“ keine Konkurrenz zu machen, wurde der Bau des Nordturms des Stephansdoms eingestellt. Im Zuge der zweijährigen Südturm-Sanierung wurde 2008 auch das frisch renovierte vergoldete Turmkreuz wieder aufgesetzt. Rechts vom Dom sind der Turm der Johann-Nepomuk-Kirche in der Praterstraße, ein neues Hochhaus am Donaukanal und der „Galaxy-Tower“ zu erkennen.


1., Stock-im-Eisen-Platz, 2009
Im Zusammenhang mit dem U-Bahnbau in den 1970er Jahren wurden in der Kärntner Straße und am Graben die ersten Fußgängerzonen Wiens errichtet. Sie sind Anziehungspunkte für Wien-Besucher und zählen mit bis zu 60.000 Passanten täglich zu den meistfrequentierten Einkaufsstraßen Österreichs. Dementsprechend schwierig war die dringend nötige Neugestaltung, die 2009 bei weitest möglicher Aufrechterhaltung der Zugänglichkeit für Kunden und Lieferanten recht reibungslos über die Bühne ging.



23., Speisinger Straße, 2009
Im Juli 2010 ist in Wien ein Hundeführschein-Gesetz für 13 Rassen in Kraft getreten. Gemeinsam mit der Polizei sollen nun Experten vom Veterinäramt kontrollieren, ob die Besitzer von sogenannten „Kampfhunden“ auch die erforderliche Befugnis haben, solche Hunde zu führen. Viele Fachleute bezweifeln die Sinnhaftigkeit des umstrittenen Gesetzes, da das individuelle Verhalten eines Hundes vor allem von seiner Sozialisierung und Erziehung abhängt. 


14., Reinlgasse, 2009
Trotz Gloriette-Blick ist diese Momentaufnahme für die Tourismus-Werbung wohl eher nicht zu gebrauchen. Straßenfotografen haben zumeist keine kommerziellen Auftraggeber. Ihre Fotos zeigen alltägliche Situationen, die nicht darauf abzielen, das Konsumverhalten zu manipulieren.


 
14., Hütteldorfer Straße, 2009
Die österreichische EU-Wahl 2009 brachte Zugewinne für FPÖ und Liste Martin, während SPÖ, ÖVP und Grüne deutlich an Stimmen verloren. Bei dieser Direktwahl zum Europäischen Parlament, an der erstmals alle 27 Mitgliedstaaten der zuletzt 2007 erweiterten EU teilnahmen, blieb die Europäische Volkspartei stimmenstärkste Fraktion. Die Sozialdemokratische Partei Europas erlitt deutliche Verluste.



16., Johann-Staud-Straße, 2009
Als Vorsitzender der Wiener Volkspartei war Wissenschaftsminister Johannes Hahn auch als Spitzenkandidat bei den Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen 2010 vorgesehen. Ende 2009 wurde er jedoch nach Brüssel entsandt, wo er als neuer EU-Kommissar für Regionalpolitik nun ein Budget in der Höhe von 347 Milliarden Euro verwaltet.



9., AKH (Währinger Gürtel), 2009
Die Ursprünge des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) reichen bis in die Zeit nach der Zweiten Türkenbelagerung zurück, als Dr. Johann Franckh seine Grundstücke an der Alserstraße für die Errichtung eines Soldatenspitals stiftete. Später entstand dort das Allgemeine Krankenhaus.
Baubeginn für das neue AKH war 1964 und 10 Jahre später erfolgte der Spatenstich für das 22-stöckige Haupthaus am Gürtel, das allerdings erst 1994 offiziell eröffnet wurde – nach dem AKH-Skandal von 1980, dem bislang größten österreichischen Bauskandal. 


1., Rotenturmstraße, 2009
In der frostfreien Zeit postiert das Wiener Stadtgartenamt Topfpalmen in den ältesten Wiener Einkaufsstraßen. „Guerilla Gardening“-Aktionen, mit denen „wilde Gärtner“ gegen das triste urbane Grau ankämpfen, erübrigen sich angesichts der grellen Auslagen in der Rotenturmstraße. 


6., Linke Wienzeile (Naschmarkt), 2009
Kaum ein Bildbericht über Wien kommt ohne Naschmarkt-Szenen aus. Diese Hinteransicht lässt jedoch nichts von dem exotischen Flair und der Farbenpracht der dargebotenen Waren erahnen.


 
7., MuseumsQuartier Wien, 2009
Ein Selbstportrait Egon Schieles ziert das Leopold Museum, das vor allem für seine außergewöhnliche Schiele- und Klimt-Sammlung bekannt ist. Die vom Kunstsammler Rudolf Leopold (+ 2010) und seiner Frau Elisabeth zusammengetragenen Bestände sind Eigentum einer staatsnahen Stiftung. 2010 konnte das berühmte Gemälde „Bildnis Wally“, das 1998 nach einer Ausstellung in New York als „Nazi-Diebsgut“ beschlagnahmt worden war, zurückgekauft werden.


1., Michaelerplatz, 2009
Die Adler-Darstellung ist ein Detail des Wandbrunnens „Macht zu Lande“, der sich an der rechten Portalwand des Michaelertraktes der Hofburg befindet.



3., Rennweg, 2009
Viele Tabak-Trafiken an weniger stark frequentierten Standorten mussten aufgrund von Umsatzeinbußen bei Zigaretten und sinkenden Spannen bei anderen Produkten im vergangenen Jahrzehnt zusperren. Das österreichische Tabakmonopol, das auf Kaiser Joseph II. zurückgeht, wurde mit dem EU-Beitritt Österreichs großteils privatisiert. 


2., Wurstelprater / Straße des Ersten Mai, 2009


8., U2-Station Rathaus, 2009


23., Kolbegasse, 2009
Litfaßsäulen verdanken wir dem Berliner Drucker Ernst Litfaß, der 1854 erstmals die Genehmigung für „Announcier-Säulen“ erhielt, um der „Wildplakatierung“ entgegenzuwirken.  In Wien vermarktet das städtische Ankündigungsunternehmen Gewista, das heute zu 67% im Besitz einer internationalen Holding ist, 1.500 Litfaßsäulen und 570 „Rolling Boards“ - von innen beleuchtete Werbeflächen mit wechselnden Sujets. Inmitten kommerzieller Werbeformen, die immer mehr Platz im öffentlichen Raum einnehmen, sind „wild“ – d.h. ohne Erlaubnis - geklebte Plakate auch ein Indiz für die Vielfalt und Lebendigkeit einer autonomen Kulturszene, die auf kostengünstigere Werbemedien angewiesen ist. Seit 2008 haben allerdings Plakatierer der Gewista-Tochterfirma „Kultur:plakat“ den Auftrag, alle ihrer Meinung nach illegal angebrachten Plakate zu entfernen oder durch mausgraue Plakate mit der Aufschrift „Plakatieren verboten“ zu überkleben. Obwohl die Plakatwerbeflächen an den Wartehäuschen der Wiener Linien ebenfalls von der gemeindenahen Gewista betreut werden, scheinen sie auf deren Preisliste gar nicht auf, da sie ausschließlich der SPÖ und ÖVP zur Verfügung stehen. 


1., Lobkowitzplatz, 2009
 2009/10 war im österreichischen Theatermuseum dem österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard anlässlich seines 20. Todestages eine Ausstellung gewidmet. Das Bernhard-Portrait auf dem Plakat hat Harry Weber im Jahr 1988 im Burgtheater aufgenommen – in dem Jahr, als Bernhards letztes Theaterstück „Heldenplatz“ für einen der größten Theaterskandale des Landes sorgte. Im Hintergrund ist die Albertina zu erkennen, die zu den bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt zählt.


1., U2-Bahnsteig Schottentor, 2009
Das Fliesenbild „Drei Chinesen in der Qinghai-Tibet-Bahn“ der Fotokünstlerin Barbara Krobath zeigt Bahn-Touristen auf dem Weg nach Tibet.


18., Währinger Straße, 2009
Für Firmenschilder, die sich nicht an die Hauswände anschmiegen, ist ab einer bestimmten Größe eine sogenannte Luftsteuer zu entrichten.


13., Speisinger Straße, 2009


16., Neulerchenfelder Straße, 2009


7., Schottenfeldgasse, 2009
 Vitrine einer Jagd- und Sporthandelsgesellschaft.


 
1., Graben, 2009
Der Firmenname E. Braun & Co erinnert an den ehemaligen Besitzer des traditionsreichen Geschäftshauses und an den Umstand, dass sich viele alteingesessene Familienbetriebe im Fall einer Übernahme durch die nächste Generation die Mieten auf dieser exklusiven Einkaufsmeile nicht mehr leisten können. An ihrer Stelle ziehen dann internationale Markenunternehmen ein, die hier oder am nahe gelegenen Kohlmarkt ihre „flagship stores“ einrichten. Bereits unter Maria Theresia etablierte sich der Graben als Treffpunkt der vornehmen Wiener Gesellschaft. Der zugeschüttete Graben, der einst das Römerlager Vindobona umgeben hatte, wurde bereits um 1200 als Marktplatz verwendet. 


1., Bellariastraße (NHM), 2009
Immer wenn monumentale Bauwerke im Rahmen einer Fassadenrenovierung hinter Baugerüst-Netzen verschwinden, denke ich an das New Yorker Künstlerehepaar Christo, das mit spektakulären Verhüllungsaktionen berühmt wurde.