„Walking Vienna“ I Tag 21 I 2008-03-21

Dienstag, 7. Februar 2012

„Walking Vienna“ I Tag 21 I 2008-03-21

Etappe I – J/03: (1, 71, 6A) 1110: Alberner Hafenzufahrtsstraße – 2. Molo - Alberner Hafenzufahrtsstraße – Margetinstraße – 11. Haidequerstraße – Wildpretstraße - 7. Haidequerstraße – Haidestraße – Birkenstockgasse

RM08_6754 11., Alberner Hafenzufahrtsstraße

RM08_6776 11., Alberner Hafenzufahrtsstraße

RM08_6800 11., Wildpretsstraße

RM08_6813 11., Wildpretsstraße

Verglichen mit den Akteuren in André Hellers Zirkusshow-Plakat „Afrika, Afrika“ kommen die rund 13.000 Schwarzafrikaner, die heute in Wien leben, selten mit positiven Meldungen in die Schlagzeilen. Zumeist werden sie nur als Täter wahrgenommen - vornehmlich als Drogendealer - oder als Opfer - hauptsächlich von Polizeigewalt.¹Das rassistische Graffiti verdeutlicht die Ressentiments, die in Teilen der Wiener Bevölkerung gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe vorherrschen. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten war die Zahl der Menschen, die aus Schwarzafrika nach Österreich kamen, stets gering.² Der erste nichteuropäische Zuwanderer in Wien, dessen Biografie überliefert ist, war Angelo Soliman, der im 18. Jahrhundert aus dem heutigen Sudan als Sklave nach Sizilien kam und später in Wien eine schillernde Karriere machte.³

¹ http://derstandard.at/1276043679111/Schnitzel-und-Fussball-Schwarzafrikaner-in-Wien

² Walter Sauer (Hg.): Von Soliman zu Omofuma. StudienVerlag, Innsbruck, 2007

3http://www.wienmuseum.at/de/ausstellungen

RM08_6818 11., Wildpretsstraße

RM08_6840 11., Wildpretsstraße

RM08_6888 11., Haidestraße

RM08_6895 11., Haidestraße

RM08_6897 11., Haidestraße

RM08_6899 11., Haidestraße

RM08_6902 11., Haidestraße

RM08_6904 11., Haidestraße

Erstmals publiziert in: “Wien: Gesichter einer Stadt“, Krenn-Verlag, 2011

RM08_6917 11., Haidestraße

Projektbeschreibung

Seit meiner Schwarzweiß-Dokumentation „Wien im Jahr 2000“ fotografiere ich alltägliche Situationen im öffentlichen Raum. Zunächst habe ich die Motivschauplätze der großen Meister der Wien-Fotografie des 20. Jahrhunderts aufgesucht, doch bald ist mir klar geworden, dass ich einen persönlicheren Zugang zur Stadt finden möchte. Im Rahmen meiner Stadtbild-Fotodokumentation WIEN.blicke folgte ich einer Route, die mich systematisch kreuz & quer durch Wien führte. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit in urbanen Räumen ist das Festhalten der Veränderungen im Stadtbild.

Wege sind wichtig, um zu Fotos zu gelangen. Allzu ausgetretene Fotopfade versuche ich jedoch zu meiden, da sie keine neuen Sichtweisen ermöglichen. Dennoch führen meine Fotospaziergänge immer wieder auch durchs Zentrum der Stadt, vorbei an den viel fotografierten Sehenswürdigkeiten, die ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, je nach Lust & Licht, ebenfalls in meine Sammlung von Wien-Ansichten aufnehme. Oft entdecke ich nur wenige Schritte von den Postkarten-Idyllen entfernt ein ungeschminktes Stück Stadt. Obwohl ich nicht planlos unterwegs bin, spielt der Zufall in meinen Bildern eine wesentliche Rolle.

Ich hab’s gut, denke ich manchmal: Ich muss Wien weder vermarkten noch verkaufen! Die Entscheidung darüber, was auf meinen Fotos zu sehen ist, treffe ich ganz alleine, ebenso wie die Entscheidung, was auf ihnen nicht zu sehen ist. Ich betone das deshalb ausdrücklich, weil die Mehrzahl der Bilder, die wir in der Öffentlichkeit wahrnehmen, Auftragsarbeiten sind. Vor allem in der Werbefotografie heiligt der Verwendungszweck oft die Mittel. Szenen, die besonders lebensnah wirken sollen, werden zumeist sehr aufwendig inszeniert.

Meine Straßenfotografien sind Abbilder von Wiener Wirklichkeiten, die sich vor meinen Augen zugetragen haben. Einen Anspruch auf eine objektive Darstellung der Stadt kann ich mit diesen Fotos nicht einlösen, denn die Wirklichkeit, der diese Bilder entnommen sind, erscheint in einem völlig anderen Licht, sobald sie von einem anderen Standpunkt aus betrachtet wird.

Meine Bilder sind ohne vorsätzliche Parteinahme entstanden, hinter ihnen versteckt sich keine Moral, sie zeigen keine gestellten Situationen. Ich nehme diese Fotos nicht auf, um die viel gepriesene hohe Lebensqualität in Wien zu dokumentieren, zum Schlechtreden der Stadt und ihrer Bewohner möchte ich sie allerdings auch nicht missbraucht wissen. Es würde mich freuen, wenn sich auch über meine Menschenbilder sagen ließe, was Jack Kerouac einst im Vorwort des Fotobuch-Klassikers „Die Amerikaner“ über die Fotos von Robert Frank geschrieben hat: „So sehen wir im wirklichen Leben aus.“

Es liegt in der Natur des Bildes, dass es sich mit Worten nur unzureichend beschreiben lässt. Als Bildautor habe ich die Verpflichtung, den Kontext, in dem meine Fotos entstanden sind, möglichst genau zu beschreiben. Was meine Sorge vor einer missbräuchlichen Verwendung meiner Bilder ein wenig aufwiegt, ist die Zuversicht, dass sie eines Tages Antworten liefern werden - auf Fragen, die wir heute noch nicht kennen.

Vielleicht sind es gerade die scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten, die heute kaum jemand bewusst beachtet, die beim Betrachten dieser Fotos eines Tages großartige Erinnerungen wachrufen. Viele Details, die auf diesen Fotos erkennbar sind, werden dann bereits unwiederbringlich aus unserem Stadtbild verschwunden sein. Diese Fotografien werden einmal Zeugnis geben, wie sich unsere Stadt im Laufe der Zeit verändert hat. Im wirklichen Leben bleibt nichts so wie es ist, nur auf Fotografien scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Auf den alten Lichtbildern in unseren Fotoalben sehen wir, wie die Welt uns gesehen hat, damals. Was wir auf diesen privaten Fotografien aber nicht sehen, ist, wie wir die Welt in jüngeren Jahren gesehen haben. Ich bin überzeugt, dass wir die ersten Eindrücke von unserer Umwelt, die wir in unserer Kindheit mehr unbewusst als bewusst aufgenommen haben, ein ganzes Leben lang in uns tragen. Wenn wir dann in reiferen Jahren diese verschollen geglaubten Kindheitsbilder wieder zu Gesicht bekommen, ist das so, als ob sich ein Fenster auftun würde - in eine Welt, die so zwar nicht mehr existiert, zu der wir aber gerade deshalb eine besonders emotionale Bindung haben. Daher sind Bilder, die zeigen, wie Wien heute aussieht, später vor allem für unsere Nachfahren kostbar.